Der unsichtbare Hausgeist: Wie 24 Wichtelstreiche die Psychologie der Weihnachtszeit revolutionieren
Die Adventszeit ist traditionell geprägt von Plätzchenduft, Kerzenschein und dem Wettlauf gegen die Uhr, um alle Geschenke zu besorgen. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich ein skandinavischer Brauch in deutschen Haushalten etabliert, der die Vorweihnachtszeit revolutioniert: die Wichteltür. Was als einfache Miniaturtür an der Fußleiste begann, ist heute ein kulturelles Phänomen, das psychologische, ökonomische und soziale Implikationen in sich trägt. Es geht nicht mehr nur um einen Adventskalender-Ersatz, sondern um die Schaffung eines einzigartigen, magischen Familienrituals. Dieser Beitrag beleuchtet nicht nur die Ursprünge dieses Trends, sondern bietet dir eine tiefgehende Analyse seiner Bedeutung und liefert dir einen ultimativen Leitfaden mit 24 Wichtelstreichen, die das Kritische Denken deiner Kinder schärfen und die familiäre Kohäsion stärken.
Hast du dich jemals gefragt, warum dieser kleine, meist unsichtbare Hausgeist, in Skandinavien als Nisse, Tomte oder Tonttu bekannt, einen solchen Siegeszug in einer hochentwickelten, technologiegetriebenen Gesellschaft feiern konnte? Die Antwort liegt in unserem tief verwurzelten Bedürfnis nach Ritual, Fantasie und analogen, gemeinsamen Erlebnissen, gerade in einer digital dominierten Welt. Der Wichtel ist die Katharsis vom perfekten Weihnachtsstress, ein frecher, aber herzlicher Botschafter des Unperfekten.
Die Wurzeln der Wichtel-Kultur: Vom Hofgeist zur Nissedør-Ökonomie
Um die aktuelle Faszination für Wichtel (im Dänischen und Norwegischen als Nisse bekannt) zu verstehen, müssen wir eine historische Reise antreten. Die Figur hat ihren Ursprung tief im vorchristlichen nordischen Volksglauben. Der Nisse war ursprünglich kein harmloser Weihnachtswichtel, sondern ein Gårdbo oder Fjøsnisse – ein Haus- oder Hofgeist, der über den Bauernhof wachte. Er galt als Schutzgeist des Hofes und war oft mit einem verstorbenen Vorfahren assoziiert. Seine Hauptaufgabe war es, das Vieh und das Haus vor Unglück zu bewahren. Im Gegenzug forderte er nur eines: Respekt und eine Schale Risengrød (Reisbrei) mit einem Butterflöckchen an Heiligabend. Wurde dieser Brauch vergessen oder wurde er beleidigt, konnte der Nisse grausam werden und Unheil über den Hof bringen oder das Vieh krank machen. Das war der ernste, dunkle Kern der Tradition.
Wann wurde der Wichtel zum Weihnachtsmann-Assistenten? Die Transformation im 19. Jahrhundert
Die Wandlung vom launischen Hofgeist zum freundlichen Helfer des Weihnachtsmannes (Julenissen) vollzog sich primär im 19. Jahrhundert. Diese Epoche war geprägt von Romantik und dem Aufkommen eines nationalen Bewusstseins in den skandinavischen Ländern. Künstler wie der Däne Constantin Hansen lieferten 1836 eine der ältesten bekannten Darstellungen des Wichtels, die ihn bereits in der roten Zipfelmütze zeigte, wie wir ihn heute kennen. Die volkstümliche Sagengestalt wurde romantisiert und in den Dienst der aufkommenden Weihnachtskultur gestellt. In Schweden verschmolz der Tomte-Glaube mit der Nikolausfigur, wodurch der Jultomte entstand.
Die Wichteltür (Nissedør), durch die der Wichtel in die Menschenwelt tritt, ist ein relativ junges Phänomen, das sich in Dänemark herausbildete und seit etwa 2010 stark nach Deutschland überschwappt. Der Hype ist in Deutschland so groß, dass er bereits zu einer eigenen Wichtel-Ökonomie geführt hat. Während du vor wenigen Jahren Wichteltür-Zubehör nur in spezialisierten dänischen Läden fandest, bekommst du heute in jedem Discounter – oft schon für unter 7,99 Euro – Starter-Sets, wie der Blick auf den Einzelhandel im Jahr 2024 zeigt. Dies belegt die Durchdringung des Trends in die breite Gesellschaft. Man kann von einer erfolgreichen Rekontextualisierung einer alten Tradition sprechen, die perfekt in die Sehnsucht nach entschleunigten, analogen Ritualen der modernen Familie passt.
Psychologie der Wichtelstreiche: Warum Chaos die Kreativität deiner Kinder fördert
Der Wichtel ist kein zufälliger Zeitvertreib, sondern ein mächtiges pädagogisches Instrument. Zahlreiche Studien zur frühkindlichen Entwicklung, darunter die Arbeiten des Entwicklungspsychologen Moritz Daum (Universität Zürich), belegen den Wert von Fantasie und Ritualen für die kognitive und emotionale Entwicklung von Kindern. Der Wichtel erfüllt hierbei mehrere Schlüsselfunktionen:
- Förderung der Kreativität und Fantasie: Der Wichtel existiert in einem als-ob-Spielraum. Er liefert keine fertigen Geschichten, sondern nur Hinweise und Spuren, die dein Kind interpretieren und zu einer kohärenten Erzählung zusammensetzen muss. Diese kreative Lückenfüllung ist entscheidend für das abstrakte Denkvermögen.
- Stärkung der Resilienz und emotionalen Kompetenz: Der Wichtel ist nicht perfekt. Er macht Fehler, er ist frech, er vergisst manchmal etwas. Er bringt ein kalkuliertes Chaos in den sonst so strukturierten Familienalltag. Diese Erfahrung lehrt Kinder, dass Unordnung und kleine Missgeschicke zum Leben gehören und dass man mit Humor darauf reagieren kann. Sie lernen, Emotionen wie Überraschung, Freude und auch das leichte Ärgernis über einen Streich zu verarbeiten.
- Schulung des Kritischen Denkens: Wenn ein Kind im Grundschulalter (typischerweise ab 7 bis 9 Jahren) beginnt, kritische Fragen zur Existenz des Wichtels zu stellen, dient die Tradition als eine exzellente Schulung des kritischen Denkens. Wenn du als Elternteil aufrichtig und altersgerecht antwortest, förderst du die Fähigkeit deines Kindes, Sachverhalte zu überprüfen und kausale Zusammenhänge zu verstehen – eine Fähigkeit, die in der Ära von Fake News und Desinformation unerlässlich ist. Es geht darum, nicht an der „Lüge“ festzuhalten, sondern den Übergang zur gemeinsamen Bewahrung des Zaubers zu gestalten.
- Stärkung des Familienzusammenhalts: Die Wichtelstreiche und die damit verbundenen Briefe oder Aufgaben schaffen ein gemeinsames, exklusives Familienritual. Sie initiieren Gespräche am Frühstückstisch und geben der Familie einen synchronisierten Fokus in der hektischen Adventszeit. Dies ist ein wertvoller sozialer Kit.
Der Wichtel ist somit ein psychologischer Anker: Er entschleunigt und schafft gleichzeitig eine Bühne für die Entwicklung wichtiger Kompetenzen. Wichtig ist dabei, dass der Wichtel nicht als Instrument der Erziehungsmacht missbraucht wird (z.B. „Sei lieb, sonst macht der Wichtel keine Streiche mehr“). Er sollte ein freier Geist bleiben.
Die 24 Streiche: Kreative Blaupausen für Wichtel-Magie – Ein Analytischer Leitfaden
Die Kunst des Wichtelns liegt in der Balance zwischen Frechheit, Magie und nützlicher Aufgabe. Wir haben 24 detaillierte Aktionen zusammengestellt, die analytisch aufbereitet sind, um maximale Wirkung und minimale Aufwände zu gewährleisten. Sie sind unterteilt in vier Kategorien, die unterschiedliche Aspekte des Wichtel-Charakters beleuchten. Jeder Tag im Dezember bis Heiligabend erhält so seine eigene, tiefere Bedeutung.
Kategorie 1: Die Frechen & Chaotischen (Tage 1–6)
Diese Streiche etablieren den frechen Charakter des Wichtels. Sie sind oft am schnellsten umzusetzen, haben aber die größte visuelle Wirkung und sorgen für den lautesten Lacher am Morgen.
- Tag 1: Die magische Milch. Der Startschuss. Aktion: Färbe die Milch im Kühlschrank mit etwas Lebensmittelfarbe (blau oder grün). Hintergrund: Eine direkte Referenz zum Drillenisse (Neck-Wichtel) der skandinavischen Folklore, der traditionell Gegenstände vertauscht oder verfärbt. Es setzt den magischen Ton.
- Tag 2: Der Toilettenpapier-Schlittenlift. Aktion: Rolle eine ganze Rolle Toilettenpapier aus und lass sie quer durch das Kinderzimmer laufen, eventuell mit kleinen Wichtelfußspuren (aus Mehl) entlang des Papiers. Hintergrund: Verkörpert das Wichtel-Bedürfnis nach Spiel und Bewegung. Das Chaos ist kontrolliert und leicht zu beseitigen, maximiert aber die Überraschung.
- Tag 3: Die Socken-Wäscheleine. Aktion: Hänge alle (oder viele) Socken des Kindes/der Familie mit kleinen Klammern als Wäscheleine quer durch das Wohnzimmer. Der Wichtel hinterlässt eine Notiz, dass er seine eigene Wäsche vergessen hat und sich aushelfen musste. Hintergrund: Sozialer Aspekt – der Wichtel ist menschlich und unorganisiert.
- Tag 4: Der Mehl-Schutzengel. Aktion: Verteile etwas Mehl vor der Wichteltür und lass darin Wichtelspuren oder die Abdrücke eines kleinen Schlittens entstehen. Hintergrund: Simuliert eine verschneite Winternacht. Dies ist ein sensorischer Reiz, der die Fantasie sofort anregt.
- Tag 5: Die umgedrehte Besteckschublade. Aktion: Tausche über Nacht sämtliches Besteck in der Schublade um, sodass Gabeln, Messer und Löffel an den falschen Plätzen liegen. Hintergrund: Eine freche Aktion, die zeigt, dass der Wichtel die menschliche Ordnung nicht respektiert. Der Akt des Aufräumens wird zur gemeinsamen Morgen-Challenge.
- Tag 6: Die Schuh-Verwirrung. Aktion: Fülle die Schuhe der Kinder mit Popcorn oder klebe sie mit Kreppband an den Boden. Hintergrund: Ein klassischer Streich, der die Erwartungshaltung des Kindes bricht und den Wichtel als Meister des Unfugs positioniert.
Kategorie 2: Die Backwütigen & Kreativen (Tage 7–12)
Diese Aktionen fokussieren sich auf das klassische Advents-Thema: Backen und Basteln. Sie sind oft mit einer kleinen Aufgabe für die Kinder verbunden.
- Tag 7: Der Keks-Diebstahl und die Beweisspur. Aktion: Es fehlt ein Keks aus der Plätzchendose. Vor der Wichteltür liegt eine Spur aus Krümeln und eine winzige Notiz: „Magen knurrt. Konnte nicht widerstehen!“ Hintergrund: Erzeugt eine emotionale Reaktion – ein leichter „Verlust“ gegen ein Gefühl von Nähe und Komplizenschaft mit dem Wichtel.
- Tag 8: Die Müslischalen-Party. Aktion: Klebe auf allen Müslischalen oder Tassen im Schrank „WICHTEL PARTY“ Aufkleber, oder stelle sie mit Partyhüten in einer Reihe auf den Tisch. Hintergrund: Simuliert eine nächtliche Feier, die die Kinder ausgeschlossen hat, aber deren Spuren sichtbar sind.
- Tag 9: Das Karotten-Schnittmuster. Aktion: Eine Karotte wurde mit einem winzigen Messer kunstvoll in Form geschnitzt (z.B. ein Stern). Der Wichtel hat ein winziges Rezept für „Rentierfutter“ hinterlassen. Hintergrund: Fördert die Feinmotorik (beim Versuch, es nachzumachen) und verbindet den Wichtel mit dem gesamten Weihnachtszirkus (Weihnachtsmann/Rentier).
- Tag 10: Die Zuckerwürfel-Pyramide. Aktion: Baue eine kleine, beeindruckende Pyramide oder ein Iglu aus Zuckerwürfeln auf dem Küchentisch. Hintergrund: Zeigt die wundersame Fähigkeit des Wichtels und seine überraschende Stärke, da er über Nacht ein kleines Bauwerk errichtet hat.
- Tag 11: Der Baumanhänger-Tausch. Aktion: Ein paar (für Kinder harmlose) Gegenstände im Haus (z.B. ein Radiergummi, ein kleiner Stein, eine Spielfigur) hängen plötzlich als Baumschmuck an einem Zimmerbaum oder einer großen Zimmerpflanze. Hintergrund: Ein spielerischer Akt des Vertauschens, der die Kinder dazu anregt, ihre Umgebung genauer wahrzunehmen.
- Tag 12: Die Malaktion auf der Banane. Aktion: Zeichne mit einem Zahnstocher (oder feinem Stift) Gesichter oder winzige Nachrichten auf die Bananen im Obstkorb. Durch die Oxidation wird die Zeichnung braun und sichtbar. Hintergrund: Niedrigschwellige, kreative Intervention in den Alltag, die ein gesundes Lebensmittel auf magische Weise aufwertet.
Kategorie 3: Die Mutmacher & Botschafter (Tage 13–18)
Diese Streiche enthalten eine stärkere pädagogische oder emotionale Botschaft, wie es in der modernen, psychologisch fundierten Wichtel-Tradition oft empfohlen wird.
- Tag 13: Der Brief zur guten Tat. Aktion: Der Wichtel hinterlässt einen Brief, in dem er dem Kind für eine kleine, aber bemerkenswerte Geste des Vortages dankt (z.B. „Ich habe gesehen, wie du deinem Bruder geholfen hast, das Spielzeug aufzuräumen. Danke!“). Hintergrund: Positive Verstärkung. Der Wichtel wird zum ungesehenen Botschafter der Wertschätzung und Achtsamkeit, eine Empfehlung, die auch von Pädagogen der Wichtel Akademie München unterstützt wird.
- Tag 14: Die Verwandlung des Zahnbürstenbechers. Aktion: Fülle den Zahnbürstenbecher (oder das Waschbecken) mit kleinen, bunten Perlen oder Wattebäuschen. Hintergrund: Erinnert auf spielerische Weise an die tägliche Hygiene, indem der Wichtel einen Ort des Alltags in einen Spielplatz verwandelt.
- Tag 15: Das Puzzle-Teil im Briefkasten. Aktion: Der Wichtel hinterlässt ein einzelnes Puzzleteil mit der Notiz, dass er das ganze Puzzle verstreut hat. Hintergrund: Eine aktive Handlungsaufforderung, die die Kinder zur gemeinsamen, strukturierten Problemlösung anregt. Sie müssen das „Wichtel-Chaos“ beheben.
- Tag 16: Der Wunschzettel-Express. Aktion: Der Wichtel hat ein paar aus dem Wunschzettel ausgeschnittene Bilder genommen und sie in einer kleinen Papier-Eisenbahn durch das Zimmer gezogen. Hintergrund: Visualisiert die Reise der Wünsche zum Weihnachtsmann und stärkt die Vorfreude.
- Tag 17: Die gemalte Nasenspitze. Aktion: Male mit einem speziellen, kinderhautverträglichen Schminkstift einen winzigen roten Punkt auf die Nasenspitze des Kindes, während es schläft. Hintergrund: Ein sehr persönlicher, magischer Eingriff, der die Kinder den Zauber direkt spüren lässt.
- Tag 18: Die umgedrehten Familienbilder. Aktion: Drehe alle gerahmten Familienfotos im Wohnzimmer um 180 Grad. Hintergrund: Ein Streich, der die Kinder dazu zwingt, inne zu halten und die gewohnte Ordnung des Hauses zu bemerken. Es ist eine subtile Störung der Home-Basis.
Kategorie 4: Die Vorbereitenden & Finalen (Tage 19–24)
Diese letzten Streiche bereiten emotional auf das große Fest und den Abschied des Wichtels vor. Sie sind oft die bedeutungsvollsten.
- Tag 19: Der Miniatur-Tannenwald. Aktion: Der Wichtel hat eine kleine Gruppe Tannenzweige (oder kleine Kiefernzapfen) vor seine Tür gestellt, die er „geschlagen“ hat, und hinterlässt eine Notiz über die anstrengende Baumsuche. Hintergrund: Erzeugt eine Verbindung zum großen Weihnachtsbaumkauf der Familie und personalisiert den Prozess.
- Tag 20: Die Lichterkette im Bad. Aktion: Bringe eine kleine, batteriebetriebene Lichterkette im Badezimmer an, um einen „glitzernden Pfad“ zu schaffen. Hintergrund: Erhöht die Magie in einem der unspektakulärsten Räume und zeigt, dass der Wichtel überall im Haus aktiv ist.
- Tag 21: Die magische Münze. Aktion: Der Wichtel hinterlässt eine besonders glänzende Münze im Portemonnaie oder im Sparschwein des Kindes mit einer kurzen Geschichte, wie er sie auf seinen nächtlichen Reisen gefunden hat. Hintergrund: Ein kleiner materieller Anreiz, der aber durch eine fantastische Erzählung aufgewertet wird.
- Tag 22: Die Schneeball-Schlacht in der Küche. Aktion: Aus Wattebäuschen sind kleine „Schneebälle“ geformt, die auf dem Küchentisch verstreut liegen, zusammen mit einer winzigen Abschiedsnotiz, die von einer „Schlacht“ erzählt. Hintergrund: Der letzte, große Ausbruch des Chaos, bevor der Wichtel seine Arbeit beendet.
- Tag 23: Der Lebkuchenmann-Angriff. Aktion: Ein Lebkuchenmann liegt zerbrochen oder mit abgebissenem Bein vor der Wichteltür. Die Kinder finden einen winzigen Verband (aus Mullbinde) und einen Entschuldigungsbrief des Wichtels, dass die Landung missglückt sei. Hintergrund: Eine Mischung aus Humor, Schadenfreude und Empathie. Die Kinder verspüren Mitleid und sind motiviert, dem Wichtel zu helfen.
- Tag 24: Der Abschiedsbrief und das Geschenk. Aktion: Die Wichteltür ist verschwunden oder ein Stapel „Wichtel-Umzugskisten“ steht davor. Der Wichtel hinterlässt einen rührenden Abschiedsbrief, in dem er sich für die gemeinsame Zeit bedankt, und ein kleines, selbstgebasteltes Geschenk (z.B. ein bemalter Stein). Hintergrund: Schließt das Ritual ab, sorgt für einen sanften Übergang und bewahrt die Magie für das nächste Jahr. Der Fokus liegt auf Dankbarkeit und Wiederkehr.
Soziale und Ökonomische Implikationen: Der Wichtel als Katalysator für „Analoge Nostalgie“
Die Wichtel-Tradition ist mehr als nur ein Trend; sie ist eine gesellschaftliche Antwort auf die zunehmende Digitalisierung. Im Fachjargon sprechen wir von einer Analogen Nostalgie – dem Wunsch, Haptik, Rituale und erzählerische Tiefe in den Alltag zurückzubringen. Dieser soziale Wunsch hat eine starke ökonomische Komponente hervorgebracht.
Die Wichtel-Ökonomie: Ein Milliarden-Markt für Miniaturisierung
Der Markt für Wichtelzubehör in Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH-Region) ist exponentiell gewachsen. Während die Tradition in Skandinavien oft auf einfachen, handgeschnitzten Türen und wenigen Accessoires basiert, hat die deutsche Kreativ- und Konsumwirtschaft eine Miniatur-Welt geschaffen: Wichtel-Schlitten, Briefkästen, Stiefel, Ski, Laternen und sogar Wichtel-Fitnessstudios. Dies schafft eine paradoxe Dynamik:
- Kontroverse: Kommerzialisierung vs. Kreativität: Kritiker, wie einige skandinavische Volkskundler, bemängeln die Überkommerzialisierung. Sie sehen darin eine Verwässerung der ursprünglichen Mythologie, die auf Einfachheit und Verbundenheit mit der Natur basierte. Die ursprüngliche Julenissen-Tradition war von nationalromantischen Idealen geprägt, während die moderne Nissedør-Kultur in Deutschland dem Etsy-Kapitalismus entspringt – der Vermarktung von Do-it-Yourself-Ideen.
- Pro-Argument: Niedrigschwelliger Zugang: Dem steht entgegen, dass die Verfügbarkeit von günstigen Starter-Sets (z.B. Discounter-Türen für 7,99 Euro) die Schwelle zur Teilnahme an diesem kreativen Ritual massiv gesenkt hat. Es ist ein Beispiel für einen Massen-Nischen-Markt, der Handarbeit und Industriegüter vereint. Für viele Familien, die im digitalen Zeitalter nach einem leicht umzusetzenden, bedeutungsvollen Ritual suchen, bietet dies einen essenziellen Mehrwert.
Die ökonomische Relevanz manifestiert sich nicht nur im Verkauf von Zubehör, sondern auch in der Verbreitung von Blogs, Büchern und Social-Media-Kanälen (z.B. Instagram-Accounts mit Tausenden von Followern), die sich ausschließlich dem Thema Wichtel widmen. Der Wichtel ist eine Content-Maschine geworden.
Ausblick und Prognose: Wie geht es weiter mit dem kleinen Hausgeist?
Die Wichteltür ist kein kurzlebiger Trend. Die tiefen psychologischen und sozialen Vorteile legen nahe, dass sie sich in der D-A-CH-Region als fester Bestandteil des weihnachtlichen Ritualkanons etablieren wird, ähnlich wie der Adventskalender oder der Weihnachtsbaum.
Prognose 1: Ritualisierung und Komplexität: Die Tradition wird sich weiter ritualisieren und komplexer werden. Wir werden in den kommenden Jahren eine Zunahme von Wichtel-Jahreszeiten sehen. Einige Wichtel werden nicht mehr nur im Advent, sondern auch zu Ostern oder Halloween auftauchen. Es ist die Übertragung des magischen Denkens auf andere Jahreszeiten, um die positiven pädagogischen Effekte ganzjährig zu nutzen.
Prognose 2: Digitale Hybridisierung: Während die Wichteltür an sich analog ist, wird die Content-Erstellung digital. Es ist wahrscheinlich, dass Augmented-Reality-Apps entstehen, die es Kindern ermöglichen, den Wichtel (oder seine Werkstatt) mittels Smartphone oder Tablet zu „sehen“ oder seine Stimme zu hören. Dies würde die Illusion in das digitale Zeitalter übertragen, birgt aber das Risiko, die wertvolle, analoge Interaktion zu schwächen.
Prognose 3: Pädagogische Aufklärung: Die Rolle der Eltern wird sich von heimlichen Wichtelhelfern zu Ritual-Designern wandeln. Es wird eine stärkere pädagogische Auseinandersetzung mit der Frage geben, wie lange das „Spiel“ aufrechterhalten werden sollte und wie der Übergang zur Wahrheit altersgerecht gestaltet wird, ohne das Gefühl der Magie zu zerstören. Entwicklungspsychologen betonen, dass der Fokus auf dem gemeinsamen Akt der Kreativität liegen sollte, nicht auf der strikten Aufrechterhaltung der Illusion.
Fazit: Der Wichtel – Dein Coach für ein magisches Weihnachten
Der Wichtel, dieser kleine Drillenisse aus Skandinavien, ist weit mehr als eine lustige Adventskalender-Alternative. Er ist ein kultureller Marker, der unser Bedürfnis nach Fantasie, Ritual und unvollkommenen, menschlichen Momenten widerspiegelt. Die von ihm inszenierten 24 Streiche sind keine bloßen Albernheiten, sondern sorgfältig orchestrierte pädagogische Impulse, die die Kreativität, die Frustrationstoleranz und den Familiensinn deiner Kinder stärken.
Werde zum Ritual-Designer.
Lass dich nicht vom Perfektionismus der Social-Media-Bilder stressen. Es geht nicht darum, jeden Morgen ein Meisterwerk zu präsentieren. Die größte Magie liegt in der Kontinuität und der Liebe zum Detail. Beginne klein, aber bleib dabei. Nutze die 24 Streiche als Blaupause, aber personalisiere sie. Schreib Briefe, die direkt auf die Persönlichkeit und die Ereignisse des Vortages deines Kindes eingehen. Denn der wahre Zauber des Wichtels liegt nicht hinter der winzigen Tür, sondern in der gemeinsamen Fantasiewelt, die du und deine Familie Tag für Tag erschafft. Nimm dir die Zeit. Denn in der Welt deines Kindes bist du der wahre Wichtel, der diesen Zauber erschafft – und das ist ein Geschenk, das mehr wert ist als jede Risengrød.
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